Kommentar: Wirtschaftsunternehmen dominieren die deutsche Sportlandschaft

Nun ist es soweit. Acht Jahre nach dem Umbau des Stuttgarter Stadions zu einer reinen Fußballarena soll nach Plänen des Berliner Senats auch im Berliner Olympiastadion die Leichtathletikbahn entfernt werden. Dies hat zu einem großen Aufschrei in der Leichtathletik geführt, denn nach Verwirklichung dieser Pläne verlöre die Bundesrepublik Deutschland ihr letztes weltmeisterschaftstaugliches Leichtathletikstadion.

Noch bezeichnender für den aktuellen Zustand des Sportstandorts Deutschland ist allerdings die Art und Weise, wie diese Pläne zustande kamen. Nach Aussage Clemens Prokops, scheidender Präsident des Deutschen Leichtathletikverbands, wurde dieser nicht in die Planungen einbezogen oder auch nur zu einer Stellungnahme konsultiert, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt. Wieder einmal zeigt sich die Vormachtstellung des Fußballs in Deutschland, der alle anderen Sportarten aussticht. Dies erstreckt sich aber nicht nur auf die politische Ebene – auch die deutsche Sportberichterstattung ist inzwischen überwiegend Fußballberichterstattung.

„Die Clubs in der 1. Bundesliga haben mehr mit einem Unterhaltungsunternehmen als mit einem in der Verbandsliga spielenden Fußballverein gemein.“

Eines darf man dabei aber nicht vergessen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Sportarten, in denen der Großteil der Arbeit – selbst im Spitzensport – durch ehrenamtliche Mitarbeiter und schlecht bis gar nicht bezahlte Athleten erledigt wird, ist der Fußball in den oberen Ligen ein Multimillionen-Euro-Geschäft. Die 18 Clubs der 1. Bundesliga erzielten in der Saison 2015/16 zusammen einen Umsatz von 3,23 Milliarden Euro. Herta BSC befand sich dabei im unteren Drittel, kam aber immer noch auf rund 95 Millionen Euro Umsatz. Bei solchen Summen kann man getrost davon ausgehen, dass das betriebswirtschaftliche Management im Mittelpunkt der Unternehmensführung liegt. Die Clubs in der 1. Bundesliga haben mehr mit einem Unterhaltungsunternehmen als mit einem in der Verbandsliga spielenden Fußballverein gemein.

Damit bilden Wirtschaftsunternehmen einen Hegemonen innerhalb der deutschen Sportlandschaft. Diese Entwicklung ist insoweit gefährlich, als dass diese Unternehmen in der Öffentlichkeit noch immer primär als Sportvereine wahrgenommen werden. Man stelle sich vor, Walt Disney würde das Berliner Olympiagelände zu einem neuen Freizeitpark umbauen wollen und der Berliner Senat hätte dazu hinter dem Rücken der Öffentlichkeit erste Pläne ausgearbeitet. Der Aufschrei wäre enorm. Aber in der Konstellation Fußball gegen die Interessen anderer Sportarten dominiert bei den meisten Beobachtern noch immer das Gefühl, dass es eine Auseinandersetzung zwischen Sportverbänden und eben nicht zwischen Sport und Unterhaltungsindustrie ist.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Verantwortlichen in Politik und Presse dieser Asymmetrie bewusster werden und den Fußball in den höheren Ligen mehr als Wirtschaftsunternehmen und weniger als Sportverein wahrnehmen. Dies täte der gesamten Sportlandschaft in Deutschland gut, die sonst immer mehr in Richtung Monokultur Fußball abzudriften droht.

Olympiastadion Berlin

Das Berliner Olympiastadion mit Blick Richtung Marathontor.